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Beim zweiten Mal wird alles schlimmer
Zweitehen sind besonders krisenanfällig Dass Dieters erste Ehe scheitern musste, war allen klar. Denn zu unterschiedlich waren einfach sein Charakter und der seiner Frau. Doch dann heiratete Dieter ein zweites Mal, und alle waren sich sicher: Die beiden passen zusammen. Er als Hochschullehrer und sie als Finanzbeamtin im höheren Dienst. Doch zwei Jahre später endete auch diese Ehe vor dem Scheidungsrichter. Jetzt ist Dieter zum dritten Mal verheiratet - und niemand traut sich, eine Prognose abzugeben. Dabei hätte man schon bei Dieters zweiter Ehe skeptisch sein müssen. Den Laut einer Studie des Kölner Soziologen Prof. Michael Wagner erhöht sich das Scheidungsrisiko um 38 Prozent, wenn einer der Ehepartner bereits eine Scheidung hinter sich hat. Mit anderen Worten: Die Hoffnung, dass beim zweiten Mal alles besser wird, bleibt leider oft unerfüllt. In den USA landen sogar 60 Prozent aller Zweitehen vor dem Scheidungsrichter. Auf den ersten Blick ein erstaunliches Phänomen, denn eigentlich sollten Zweitehen besonders stabil sein. Weil Zweitverheiratete um viele Erfahrungen reicher sind und gelernt haben sollten, wie man eine Partnerschaft aufrecht erhält. Andererseits sind beim abermaligen Gang zum Standesamt nicht nur mehr Erfahrungen im Spiel als beim ersten Mal, sondern auch mehr Illusionen. "Wer zum zweiten Mal heiratet", erklärt die amerikanische Familientherapeutin Diane Sollee, "hat die erste Ehe als erledigt abgehakt und lebt in der Illusion, dass es in der zweiten keinen Ärger geben wird, weil ja nun endlich der richtige Partner gefunden ist." Hier sind dann schwere Enttäuschungen und Beziehungskrisen vorprogrammiert, denn natürlich wird es auch in der Zweitehe - wie in jeder Beziehung - Konflikte geben. Zudem haben Wiederverheiratete einfach weniger psychische Scheidungsbarrieren zu überwinden. Denn sie haben ja bereits das Scheitern einer Beziehung hinter sich und sind darum um die Erkenntnis reicher, dass eine Scheidung kein "emotionales Todesurteil" ist, sondern durchaus überstanden werden kann. Auch Stiefkinder tragen zur Krisenanfälligkeit der Zweitehen bei. Amerikanische Psychologen begleiteten sieben Jahre lang "normale" Kernfamilien und Stieffamilien, in denen die Kinder sich an ein neues Elternteil gewöhnen mussten, mit der Videokamera. Der Befund: In den Stieffamilien herrschte im Vergleich zu den normalen Familien ein stärkerer Beziehungsstress. Betroffen waren vor allem die "männlichen Anteile": Die Stiefväter hatten Probleme mit ihren Söhnen, noch größer waren die Probleme in umgekehrter Richtung. Etwa 20 Prozent der Kinder waren in psychotherapeutischer Behandlung, doppelt so viele wie bei den Normalfamilien. Während ihr Verhältnis zum Stiefvater immer schlechter wurde, wurde der leibliche Vater immer beliebter, bis hin zu seiner Verklärung als "eigentlicher" und "echter" Papi. Das Paradoxe: Die leiblichen Väter wurden am meisten geehrt, wenn sie sich so gut wie nie bei ihren Söhnen blicken ließen. Gegen ein Phantom aus Romantik und Verklärung hat man als Stiefvater, der gelegentlich auch mal streng sein muss, eben keine Chance. Südkurier, 14. Februar 2004 |
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Stand: 2019-02-26